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Das Völkerrecht regelt Verträge und Abkommen zwischen Staaten, teilweise auch zwischen Staaten und internationalen Organisationen wie der EU oder der UNO.

Bereits im Voraus ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass das Völkerrecht kein Rechtssystem im herkömmlichen Sinne darstellt, ebenso wenig wie es über eine eigene Jurisdiktion verfügt. Es ist im Kern nicht mehr als ein rechtlich formulierter Konsens zwischen souveränen Parteien. Nachstehend folgen drei Gründe, weshalb der Rechtsstatus des Völkerrechts als relativ zu betrachten ist:

Erstens: Es existiert weder ein Weltgesetzgeber, noch ein Weltgericht, noch eine Weltpolizei. Das heisst konkret: Dem Völkerrecht fehlen drei fundamentale Merkmale eines vollgültigen Rechtssystems: (1) eine obligatorische Gesetzgebung (Legislative),
(2) eine obligatorische Rechtsprechung (Judikative), (3) eine obligatorische Durchsetzungsgewalt (Exekutive).     Das Völkerrecht besitzt keine Instanz, die befugt wäre, allgemeinverbindliche Normen zu erlassen, verbindlich zu interpretieren oder durchzusetzen – nochmals: keine Legislative, keine Judikative, keine Exekutive im zwingenden Sinn.

Zweitens: Philosophisch gesehen ist das Völkerrecht eine Konsensjura – ein konsensuales Rechtssystem, das auf dem freien Willen souveräner Staaten basiert. Dieses Prinzip macht das Völkerrecht zu einer Art „freiwilligem Recht“ – einem Konsens zwischen Jurisdiktionen, nicht innerhalb einer – sich an bestimmten Verhaltensnormen zu halten.[1] Alles beruht auf Zustimmung der beteiligten Parteien.

Drittens: Im historischen Vergleich ist das internationale Normensystem, auf dem das Völkerrecht aufbaut, jung und unterentwickelt. Das führt dazu, dass der Deutungsspielraum in der Rechtsanwendung beträchtlich ist – deutlich grösser als in den meisten nationalen Rechtsordnungen, die bereits über Jahrhunderte gewachsen sind. Daraus folgt: Wo das Völkerrecht auf graue Zonen trifft, sind pauschale, kategorische Urteile mit grosser Zurückhaltung zu betrachten.

Fazit: Das Völkerrecht stellt zwar einen bedeutsamen Rahmen für das internationale Zusammenleben dar – doch sein rechtlicher Verbindlichkeitsgrad liegt deutlich unter jenem souveräner staatlicher Jurisdiktionen und ist überhaupt umstritten.

 


Dr. philos. Jens Tomas Anfindsen unterrichtet seit vielen Jahren in den Bereichen Religion, Philosophie und Ethik. Er ist Leiter von MIFF DACH und Redaktor von Israelfrieden.org.


 

 

[1] Alle völkerrechtlichen Normen oder Traktatsregeln stammen aus einer oder mehreren der folgenden Rechtsnormen:  (1) Traktate, (2) Gewohnheitsrecht, (3) allgemeine Rechtsprinzipien.