Die USA und Israel legten diese Woche einen umfassenden Plan zur Beendigung des Krieges in Gaza vor. Bei einem Treffen im Weissen Haus präsentierten Präsident Donald Trump und Ministerpräsident Benjamin Netanyahu einen von den USA ausgearbeiteten 20-Punkte-Plan, der Waffenruhe, Freilassung der Geiseln und den Wiederaufbau des Gazastreifens vorsieht.
Historische Pressekonferenz im Weissen Haus
Bei einem Treffen im Weissen Haus am 29. September kündigten US-Präsident Donald Trump und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu einen von den USA ausgearbeiteten Friedensplan für Gaza an. Der Plan, als «20-Punkte-Plan» bezeichnet, sieht unter anderem einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung aller israelischen Geiseln und die Entmilitarisierung der Hamas vor.
Netanyahu erklärte während der Pressekonferenz, dass das Abkommen Israels Kriegsziele erfüllen werde.
Trump betonte, dass, falls die Hamas die Vereinbarung nicht akzeptiere, Israel die volle Unterstützung der USA habe, den Krieg alleine zu Ende zu führen – was bedeutet, die Hamas militärisch zu vernichten.
Hauptpunkte des Plans
Der Plan umfasst mehrere zentrale Massnahmen:
- Waffenstillstand und Geiselfreilassung: Die Kämpfe sollen sofort beendet werden. Alle israelischen Geiseln, sowohl Lebende als auch Tote, sollen innerhalb von 48–72 Stunden nach der Zustimmung Israels zu dem Abkommen freigelassen werden.
- Gefangenenaustausch: Israel soll mehrere Hundert palästinensische Sicherheitsgefangene, hierunter 250 Mörder, sowie über tausend seit Kriegsbeginn verhaftete Bewohner Gazas freilassen.
- Israelischer Rückzug: Israel soll Gaza nicht besetzen. Der Rückzug der israelischen Truppen soll in drei Phasen erfolgen: (1) Zunächst ziehen sich die Streitkräfte aus den dicht besiedelten Gebieten auf festgelegte Sicherheitskorridore zurück, um humanitäre Hilfe, Geiselfreilassungen und erste Sicherungsarbeiten zu ermöglichen. (2) In einer zweiten Phase folgt der stufenweise Rückzug auf Linien ausserhalb der Städte, begleitet von der Übergabe von Sicherheitsaufgaben an die internationale Stabilisierungstruppe und eine neuaufgestellte lokale Polizei. (3) In der dritten Phase ziehen die israelischen Truppen vollständig aus Gaza ab, sobald die Demilitarisierung überprüft und umgesetzt ist, während internationale Beobachter die Einhaltung des Abkommens langfristig überwachen. (Siehe Illustrationsbild der drei Rückzugszonen unten.)
- Amnestie und sichere Ausreise: Hamas-Mitglieder, die ihre Waffen niederlegen, erhalten Amnestie. Wer Gaza verlassen möchte, soll sicheren Durchgang erhalten.
- Demilitarisierung: Sämtliche Terror-Infrastruktur im Gazastreifen soll zerstört und das Gebiet vollständig entmilitarisiert werden.
- Internationale Verwaltung: Eine Übergangsregierung aus palästinensischen Technokraten soll Gaza unter Aufsicht einer internationalen Stabilisierungsstreitkraft regieren, die von den USA und Partnern angeführt wird. Diese Streitkraft soll auch eine lokale Polizei ausbilden.
- Wiederaufbau und Zukunft: Der Plan verspricht den Wiederaufbau, Ent-Radikalisierung und ein wirtschaftliches Entwicklungsprogramm. Sobald Gaza wieder aufgebaut und Reformen in der Palästinensischen Autonomiebehörde umgesetzt sind, soll ein «glaubwürdiger Weg zu einem palästinensischen Staat» eröffnet werden.
Die drei Phasen des Rückzugs: (1) Erstes Verlassen der dicht besiedelten Gebiete (gelbe Linie), (2) schrittweiser Rückzug auf Sicherheitslinien (rot) und (3) vollständiger Abzug nach erfolgter Demilitarisierung (ev. mit Pufferzone).
🟦 MIFF kommentiert
Aus einer pro-israelischen Perspektive muss dieser Friedensplan als durchaus gut bezeichnet werden. Diplomatisch ist er ein Federhut für Bibi.
Der Plan setzt Hamas schachmatt: Stimmen sie dem Abkommen zu, bedeutet das de facto eine Kapitulation, Israel erreicht alle seine definierten Kriegsziele und kann somit als Sieger des Krieges gelten. Lehnt Hamas die Vereinbarung ab, wird sie militärisch vernichtet – und das mit diplomatischer Billigung ihrer eigenen Sponsoren in Doha und Istanbul. Nicht schlecht!
Bislang stellt der Plan einen echten Fortschritt und eine realistische Hoffnung auf Frieden in Gaza dar – zumindest vorläufig.
Geht Israel in eine Falle?
Der Teufel steckt aber, wie so oft, in den Details. Der Plan sieht vor, dass Gaza unter internationaler Aufsicht wiederaufgebaut wird. Zugleich sollen die Palästinenser selbst die zivile Verwaltung des Gebietes übernehmen. Auf den ersten Blick klingt dies nach einem pragmatischen Weg zu Stabilität – in Wirklichkeit eröffnet es jedoch zahlreiche Möglichkeiten für neue diplomatische Verwicklungen, und mehr Krieg und Terror.
Solange das eigentliche Grundproblem des Konflikts ungelöst bleibt – die kategorische Ablehnung Israels durch weite Teile der palästinensischen Führung und Gesellschaft – solange gibt es für Israel keinen echten Partner für Frieden. Jede internationale Übergangslösung droht dann zu einem Zwischenstadium zu werden, das zwar kurzfristig Ruhe schafft, langfristig jedoch den Boden für neue Eskalationen bereitet.
Israel riskiert damit einen Scheinfrieden: kurzfristige Ruhe an der Oberfläche, aber unveränderte Ursachen im Kern – ein Szenario, das den Weg für eine neue Terrorherrschaft in Gaza ebnen könnte.
Der Krieg mag im Gazastreifen vorerst enden. Das sind gute Nachrichten! Doch der eigentliche Konflikt geht weiter.
Über den Autor:
Dr. philos. Jens Tomas Anfindsen unterrichtet seit vielen Jahren in den Bereichen Religion, Philosophie und Ethik. Er ist Leiter von MIFF DACH und Redaktor von Israelfrieden.org.



