Am Dienstag dieser Woche übernahm Israel die volle Verantwortung für einen Liquidationsversuch gegen mehrere ranghohe Hamas-Führer, die sich in einem Gebäude in Doha, Katar, versammelt hatten. Ob der Anschlag erfolgreich war, ist zum Zeitpunkt des Schreibens noch unklar. Klar ist jedoch: Die Spielregeln im Nahen Osten haben sich verschoben. Israel schafft eine neue Realität.
🟦 MIFF kommentiert
Der Anschlagsversuch auf mehrere Hamas-Führer mitten in Doha, der Hauptstadt des ölreichen Emirats Katar, markiert eine neue aussenpolitische Doktrin Israels. Unabhängig von den bewussten Absichten der Entscheidungsträger und Strategen, die zu einer solch komplexen Operation beitrugen, schafft Israel mit seinem Handeln faktisch neue Regeln für die Region.
MIFF analysiert fünf strategische Auswirkungen dieser Entwicklung.
1. Katars Doppelspiel ist zu Ende
Bislang konnte Katar ein Doppelspiel treiben:
(a) Einerseits schützte und finanzierte das Emirat seit Jahren Hamas direkt samt auch indirekt über ein breites Netzwerk aus Nichtregierungsorganisationen, Medien, Forschungsinstituten, Stipendien und Professoraten, die Israelkritik bis hin zu offener Israelfeindlichkeit propagieren. Religiös unterstützte Katar Initiativen der Muslimbruderschaft, einschliesslich Hamas, während es im säkularen Bereich anti-zionistische Kulturprojekte allerlei Art förderte.
(b) Andererseits präsentierte sich Katar als vermeintlich neutraler Vermittler bei Geiselverhandlungen und Gesprächen über einen Waffenstillstand in Gaza. Tatsächlich hätte Katar die Macht, Hamas zu einem Kriegsende zu zwingen. Stattdessen liess es Hamas sein Territorium als Kommandozentrale nutzen, während es gegenüber der Welt den Eindruck friedlicher Neutralität inszenierte.
Damit stellt sich die Frage: Warum sollte Israel den Schutzraum eines Staates respektieren, der faktisch Partei in einem Krieg gegen Israel ergriffen hat? Artikel 1 der Haager Konvention V von 1907 verbietet neutralen Staaten ausdrücklich, kriegführenden Parteien die Nutzung ihres Territoriums als Operationsbasis zu gestatten. Wer dies dennoch zulässt, verliert seinen Neutralitätsstatus und wird selbst zum Kriegsakteur. Katar hat diese rote Linie längst überschritten.
Israel hat nun entschieden, Katars Doppelspiel zu beenden. Das Emirat muss wählen: Entweder es bleibt Operationsbasis für eine Organisation, die Israel bekämpft und terrorisiert – oder es geniesst den Schutz diplomatischer Neutralität. Beides zugleich ist nicht mehr möglich.
2. Der Fünfsterne-Dschihadismus ist vorbei
Die Absurdität war offensichtlich: Während die Hamas-Führer über Kapitulation, Waffenstillstand und Kriegsende in Gaza entschieden, residierten sie selbst in Luxusunterkünften in Katar – weit entfernt vom Schlachtfeld. Wie leicht ist es ihnen nicht gefallen, den Krieg zu verlängern und das Leid der palästinensischen Bevölkerung zynisch vorzuschieben, solange sie selbst keinerlei persönliche Opfer bringen mussten?
Dieses perverse Verhandlungsmodell, das Gewaltbereitschaft maximierte und Friedensbereitschaft minimierte, hat Israel nun beendet. Hamas-Führer geniessen nirgendwo mehr Immunität – auch nicht in Fünfsternehotels.
3. Diplomatischer Druck auf Israel wird Hamas nicht mehr retten
Warum setzt Hamas einen Krieg fort, den sie militärisch nicht gewinnen kann? Die Antwort liegt in einer bislang wirksamen Strategie: Hamas kalkulierte, dass diplomatischer Druck des Westens Israel zu einem Kriegsende zwingen würde. Militärischer Sieg war gar nicht nötig. Alles, was Hamas brauchte, um den Krieg zu überleben und aus den Ruinen Gazas einen vermeintlichen Sieg zu verkünden, war Geduld, massloser Zynismus und die bereitwillige Hilfe ihrer nützlichen Idioten im Westen. Hamas wusste, dass der Druck auf Israel, den Krieg vorzeitig zu beenden, proportional zum Leid der Bevölkerung in Gaza steigen würde. Diese Rechnung ging jahrelang auf. Nun nicht mehr.
4. Kein sicherer Hafen für Israels Feinde
Israel betont in letzter Zeit wiederholt öffentlich, dass seine Feinde nirgendwo sicher seien. Armeechef Eyal Zamir erklärte am 31. August: „Die meisten führenden Hamas-Mitglieder befinden sich im Ausland, und Israel wird auch sie erreichen.“ Verteidigungsminister Israel Katz legte am 8. September auf X nach: „Dies ist eine letzte Warnung an die Mörder und Vergewaltiger der Hamas in Gaza und in Luxushotels im Ausland: Lasst die Geiseln frei und legt die Waffen nieder – oder Gaza wird zerstört, und ihr werdet ausgelöscht.“
Die Operation in Doha zeigt, dass Israel seinen Worten Taten folgen lässt. In einer Region, in der Frieden und Stabilität auf physischer Macht beruhen, ist dies das Fundament glaubwürdiger Abschreckung.
5. Irans „Ring of Fire“ wird weiter dezimiert
Die in Luxushotels untergebrachten Hamas-Führer, die nun vermutlich liquidiert wurden, waren dieselben, die am 7. Oktober im Fernsehen zu sehen waren, wie sie in ihren Hotelresidenzen in Katar die Nachrichten von abgeschlachteten Juden mit Lobpreisungen an Allah bejubelten. Sie waren massgeblich in die Planungen des Angriffs eingebunden, auch wenn sie den genauen Zeitpunkt seiner Ausführung vielleicht nicht kannten. Während des gesamten Krieges fungierten sie als Teil eines grösseren iranisch-finanzierten Netzwerks von Stellvertretergruppen, die Israel bombardieren, überfallen und mit Raketen beschiessen wollten. Doch die Realität entwickelte sich anders: Nach fast zwei Jahren Krieg ist das gesamte feindliche Bündnis um Israel – Irans „Ring of Fire“ – massiv und nachhaltig geschwächt.
Die jüngsten Ereignisse in Doha sind somit nur die konsequente Fortsetzung von Israels Krieg gegen die gesamte iranische Front, die Hamas am 7. Oktober entfesselte.
Dr. philos. Jens Tomas Anfindsen unterrichtet seit vielen Jahren in den Bereichen Religion, Philosophie und Ethik. Er ist Leiter von MIFF DACH und Redaktor von Israelfrieden.org.
Videoaufnahmen aus Doha zeigen führende Hamas-Funktionäre am 7. Oktober 2023, wie sie die Nachrichten von den Massakern in Israel mit Jubel und Lobpreisungen an Allah begleiten. Die meisten, wenn nicht alle, Teilnehmer dieser Seance sind inzwischen tot.