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Israel siegt – Hamas hat verloren

Trump Netanyahu

Gestern wurde in Doha, Katar, ein historisches Friedensabkommen zwischen Israel und der Hamas unterzeichnet, das den Gaza-Krieg beenden soll.

Die Hauptpunkte

  • Alle Geiseln werden freigelassen.

  • Die Hamas wird entwaffnet.

  • Die Hamas wird Gaza nicht mehr regieren.

  • Die IDF zieht sich weitgehend aus Gaza zurück und überlässt die Verwaltung des Territoriums einem internationalen, technokratischen Gremium, behält jedoch Pufferzonen in der Peripherie sowie die übergeordnete Sicherheitsverantwortung.

  • Israel muss 1 950 palästinensische Häftlinge freilassen – 1 700 von ihnen sind Gefangene des Krieges vom 7. Oktober 2023; 250 sind Hochsicherheitsinsassen, die vor dem 7. Oktober Terrorakte mit Mordfolge begangen haben.

Das Abkommen ist unter der diplomatischen Führung des US-Präsidenten Donald Trump zustande gekommen, auf der Grundlage des sogenannten «20-Punkte-Friedensplans», der am 29. September von Netanyahu und Trump im Weissen Haus vorgestellt wurde (MIFF kommentierte den Plan hier).

Zeitplan für die Umsetzung des Gaza-Abkommens

Donnerstag, 9. Oktober
· 12:00 Uhr – Unterzeichnungszeremonie des Abkommens; der Waffenstillstand tritt unmittelbar in Kraft.
· 17:00 Uhr – Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts; 18:00 Uhr – Regierungssitzung zur endgültigen Genehmigung.
· Nach der Genehmigung beginnt ein 72-Stunden-Countdown, in dem die Hamas verpflichtet ist, alle lebenden Geiseln „in einem Zug“ freizulassen – ohne öffentliche Zeremonien.
· Innerhalb von 24 Stunden wird sich die IDF bis zur vereinbarten „Gelben Linie“ zurückziehen, womit Israel rund 53 % des Gazastreifens unter Kontrolle behält.

Freitag
· Die IDF schliesst ihre Neuaufstellung entlang der Gelben Linie ab.

Samstag bis Montag
· Die Freilassung der Geiseln wird erwartet. Trump deutete an: „Am Montag werden alle zurückkehren.“
· Trump trifft am Sonntag in Israel ein und könnte vor der Knesset sprechen.
· Gleichzeitig wird Israel rund 1 950 palästinensische Gefangene freilassen.

Das Abkommen schliesst Mitglieder der Nukhba-Eliteeinheit der Hamas sowie führende Kommandeure wie Marwan Barghouti ausdrücklich aus.

Bis Montag sollen alle lebenden Geiseln freigelassen, die israelischen Truppen neu stationiert und die erste Phase des Trump-Plans vollständig umgesetzt sein.

Binnen 24 Stunden nach der Unterzeichnung des Abkommens wird die IDF ihre Kräfte entlang der vereinbarten ‚Gelben Linie‘ neu positionieren.

🟦 MIFF kommentiert

Zuallererst möchten wir unsere tiefste Hoffnung auf die Freilassung der Geiseln und unser herzliches Mitgefühl mit ihnen sowie mit all ihren Angehörigen und Betroffenen aussprechen. Der Tag, an dem «bring them home now!» zur Realität wird, ist ein Festtag.

Für die hart erprobte palästinensische Bevölkerung sind wir erleichtert, dass die Kriegshandlungen ein Ende finden – auch wenn die Zivilbevölkerung Gazas grossenteils eine kollektive Mitschuld trägt an der Hasskultur, die den 7. Oktober und die 19-jährige Hamas-Herrschaft erst ermöglicht hat.

Für die Menschen in der gesamten Region wünschen wir, dass echter Friede endlich einkehre. Diesen wird es nicht geben, solange die kriegerische Ablehnung des einzigen jüdischen Staates seitens der arabischen und islamischen Staaten und Parteien dieser Welt nicht aufgegeben wird.

Der «Deal», den Netanyahu gestern Abend von seiner Regierung genehmigen liess, ist wahrscheinlich der beste, den Israel unter den gegebenen Umständen erreichen konnte, unter Einigung der Parteien. Für eine absolut bedingungslose Kapitulation und eine totale Zerstörung der Hamas hätte Israel weiterkämpfen und den Gazastreifen vollständig erobern und besetzen müssen. Dies wäre vielleicht die militärstrategisch beste Lösung gewesen, hätte jedoch die Geiseln gefährdet und wohl kaum die Unterstützung Washingtons gefunden – zumal Trump das Friedensabkommen unbedingt noch vor Freitag, dem 10., abschliessen wollte, dem Tag der Bekanntgabe des Friedensnobelpreises.

Der Deal sieht nun vor, dass sämtliche Geiseln auf einmal nach Hause kommen, Gaza entmilitarisiert wird und Israel eine robuste Kontrolle über die Sicherheitsarchitektur des Territoriums behält. Das ist ein Teilsieg, kein Totalsieg. Aber merken Sie sich folgendes:

Das Friedensabkommen gilt nur, wenn sich die Hamas entwaffnen lässt – und nur, solange sie die Regierungsherrschaft über Gaza aufgibt.

Drama ist vorgeschrieben!

Die künftige Sicherheitslage im Gazastreifen kann schnell zu einer formidablen Herausforderung werden, so oder so, wenn Gaza wiederaufgebaut werden soll und eine internationale Truppenkoalition verhindern muss, dass die immer noch existierenden Hamas-Milizen neue Tunnel bauen und erneut aufrüsten. Die Erfahrungen des Libanon-Rückzugs 2006, als durch die Sicherheitsratsresolution 1701 die Verantwortung im Südlibanon den UNIFIL-Truppen überlassen wurde – unter deren Augen die Hisbollah dann ungehindert das grösste Terrorarsenal von Raketen auf diesem Planeten aufbauen konnte –, sind zu bedenken.

Die Prinzipiendiskussion

Von einem prinzipiellen Standpunkt aus kann man argumentieren, dass legitime Akteure nie über Geiseln verhandeln sollten. Geiselnahme ist nur dann effektiv, wenn sich Erpressung lohnt. Deswegen sollte niemand sich erpressen lassen. Ich habe Fahrzeugkapitäne kennengelernt, die einen solchen Ethos verkörpern. In der aktuellen israelischen Demokratie ist eine so konsequent durchdachte Linie praktisch kaum durchsetzbar. Aber die philosophische Auseinandersetzung damit wäre eigentlich gesellschaftlich wichtig.

Denn kurzsichtige Nachsicht bei Erpressung kann langfristig teuer werden – wie das Beispiel Yahya Sinwar zeigt. Er wurde 2011 zusammen mit 1 026 anderen palästinensischen Gefangenen im Austausch gegen den israelischen Soldaten Gilad Schalit freigelassen. Danach stieg er in den Rängen der Hamas auf und wurde zum Mastermind der Anschläge vom 7. Oktober – (bevor er im Oktober 2024 liquidiert wurde). Wenn der 7. Oktober denkbar der Preis für Gilad Schalit war, was müssen Israelis und Juden weltweit für den jetzigen Deal künftig womöglich nicht in Form von Geiselnahmen bezahlen? Dies ist eine harte Frage in einem Moment grosser Freude, aber im Namen der ethischen Reflexion gehört sie gestellt.

Denn täuschen wir uns nicht: Die Hamas hat mit diesem Deal zwar praktisch kapituliert, dadurch aber auch organisatorisch überlebt. Das ist diesmal ihr Teilsieg, dass sie überlebt und weiterkämpfen kann.

Hat Hamas überhaupt vor, den Deal einzuhalten?

Wird Hamas wirklich alle Geiseln auf einmal freigeben? Fragen wir uns.

Es ist schwer vorstellbar, dass Hamas langfristig keine Verzögerungstaktiken und Bosheiten in diesem Friedensprozess anwenden wird. Doch bei Nicht-Einhaltung zentraler Vereinbarungen in den kommenden Tagen ist nun allen klar, dass Israel über sehr kräftige militärische Konsequenzmassnahmen verfügt. Das nennt man Abschreckungsfaktor.

Nun scheint es auch, dass die Sponsorstaaten der Hamas – Katar, Ägypten und die Türkei – ausreichend davon abgeschreckt sind, die Terrororganisation weiterhin in ihrem Krieg zu unterstützen. Vielleicht war der «ungeglückte Liquidierungsschlag» Israels in Katar am 9. September in Wahrheit ein sehr geglücktes Warnsignal an terrorunterstützende Staaten, ihre Unterstützung einzustellen. Jetzt wollen auch sie den Krieg stoppen, bevor alles verloren ist. Der Deal rettet ihr Territorium.

Schier unvorstellbar für den Moment ist die Hoffnung, die unversöhnliche Feindschaft eines Grossteils der Palästinenser würde plötzlich verschwinden. Und das ist das Triste an der Sache: die Erkenntnis, dass der Konflikt noch lange nicht vorbei ist.

 Solange die palästinensische Ablehnungshaltung Israel gegenüber besteht, ist jedes Friedensabkommen nur eine Hudnah – eine Pause bis zum nächsten Krieg.

einige Schlussfolgerungen

Für einen dauerhaften Frieden müsste der Territorialdisput in Palästina gelöst werden. Das ist mit dem vorliegenden Friedensabkommen nicht der Fall.

Nichtsdestotrotz ist der jetzige Deal in mehreren konkreten Punkten ein Sieg für Israel, für Zivilisation und Gerechtigkeit – namentlich die Freilassung der Geiseln, die Entmilitarisierung Gazas und das Ende der Hamas-Herrschaft.

Damit erfüllt das vorliegende Abkommen, insofern es eingehalten wird, die demokratisch legitimierten, ausgesprochenen Kriegsziele Israels haargenau.

Strategisch steht die Hamas nun Schachmatt: Ehrt sie das Abkommen, verliert sie ihre Waffen und ihre Macht; ehrt sie es nicht, greift Israel physisch ein.

Wird das Abkommen umgesetzt, hat Israel damit eine weitere der Iran-alliierten Militärgruppen des «Ring of Fire» in die Knie gezwungen.

Israel hat herbe Verluste im globalen PR-Krieg hinnehmen müssen, doch territorial, militärisch, technologisch und ökonomisch steht es stärker denn je da.

Es bewegt sich auf eine Erweiterung der Abraham-Abkommen hin – ahnt es mir.

Über den Autor: 

Dr. philos. Jens Tomas Anfindsen unterrichtet seit vielen Jahren in den Bereichen Religion, Philosophie und Ethik. Er ist Leiter von MIFF DACH und Redakteur von Israelfrieden.org.