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Fake-Spendenkampagne für «hungernde Kinder» in Gaza

Terre des hommes
Kartonwerbekampagne von «Terre des Hommes – Kinderhilfe weltweit» (Foto: privat)

Faktencheck: Nein, es stimmt nicht, dass
«wenigstens ein Kind pro Tag an schwerer akuter Mangelernährung stirbt»

In der Schweiz ist derzeit ein Spendenaufruf der Organisation «Terre des Hommes – Kinderhilfe weltweit» im Umlauf, der auf irreführenden oder nachweislich falschen Behauptungen beruht.

Es geht um eine Kartonwerbung, die landesweit in die Briefkästen verteilt wird und mit emotionalen Bildern sowie dramatischer Sprache den Eindruck erweckt, Kinder in Gaza seien allgemein vom Hungertod bedroht. Die krasseste – und sachlich falsche – Behauptung der Spendenkampagne lautet, dass «wenigstens ein Kind pro Tag an schwerer akuter Mangelernährung stirbt».

Kartonwerbekampagne von «Terre des Hommes – Kinderhilfe weltweit» (Foto: privat)

Diese Darstellung hält einer sorgfältigen Prüfung nicht stand.

Erstens: Bis zum 10. Oktober dieses Jahres hat Israel insgesamt 1’718’524 Tonnen Nahrungsmittel nach Gaza hineingelassen. Nach einer konservativen Schätzung entspricht dies mindestens 2’000 Kalorien pro Person und Tag, während des gesamten Krieges. Der reale Wert dürfte höher liegen und könnte sogar über 3’000 Kalorien pro Person und Tag betragen. Das ist keine Hungersnot, das ist reichlich Nahrung. Diese Berechnung basiert auf offiziellen Zahlen von COGAT, die sämtliche Ein- und Ausfuhren nach Gaza registriert. Die Angaben lassen sich weitgehend durch den UN-Überprüfungsmechanismus «UN2720 Mechanism» verifizieren, der humanitäre Transporte registriert, genehmigt und überwacht und mit COGAT kooperiert.

Zweitens: Selbst nach den von Hamas und UNO verwendeten Zahlen lag die Gesamtzahl der seit Kriegsbeginn an Hunger verstorbenen Bewohner Gazas bis zum 22. Oktober dieses Jahres bei 461 (gegenüber knapp 200 im Januar 2025). Diese Zahl ist so niedrig, dass sie mit der Rate von Hungertoten in reichen Industrieländern vergleichbar ist. Dies liegt daran, dass Unterernährung auch aus anderen Gründen (Komorbiditäten) entsteht als durch einen allgemeinen Nahrungsmangel in der Gesellschaft.

Drittens: UNO-Organisationen wie WFP und OCHA sowie verschiedene NGOs haben im Zeitraum 2023–2025 wiederholt extreme Hunger- und Hungersnotprognosen abgegeben, die sich nachträglich nicht bestätigt haben. Eine Hungersnot wurde zunächst für Dezember 2023, danach für Februar 2024 und anschliessend für das Frühjahr 2024 angekündigt – eingetreten ist keine dieser Prognosen, wie die offiziellen IPC-Zahlen zeigen (siehe oben).

Das wohl extremste Beispiel einer Fehleinschätzung lieferte der Unter-Generalsekretär des United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), Tom Fletcher, der am 20. Mai 2025 von «14’000 Babys, die in den nächsten 48 Stunden im Gazastreifen sterben könnten» sprach.

Es zeichnet sich ein Muster ab: Katastrophale Sterblichkeitsprognosen von UNO und UNO-nahen NGOs treten nicht ein. Kalorienschätzungen für Gaza liegen immer wieder deutlich unter den tatsächlichen Liefermengen, die später durch COGAT-Daten, US-Satellitenbilder und sogar UNRWA-Berichte belegt werden. Mehrere IPC-Berichte sind im Nachhinein mit technischen Klarstellungen oder „Famine Review Committee“-Notizen versehen worden, weil die Modelle unvollständig waren oder falsch interpretiert wurden. Doch die mediale Sensationsmache um eine angebliche Hungersnot geht unbeirrt weiter.

Salo Aizenberg hat einen Vergleich zwischen den von der IPC projizierten und den tatsächlich registrierten Hungertodesfällen in Gaza durchgeführt. Das Ergebnis: eine Diskrepanz von 98 %.

Viertens: Obwohl «schwere akute Mangelernährung» (SAM) eine andere Kategorie als «Hungersnot» darstellt und es theoretisch möglich wäre, dass ein Kind pro Tag in Gaza von SAM sterben würde, auch dann, wenn flächendeckend keine Hungersnot vorliegt, stützen die besten zugänglichen Daten sowieso nicht diese drastische Behauptung der Werbekampagne von «Terre des Hommes – Kinderhilfe weltweit». Die Obergrenze der offiziell kommunizierten „malnutrition-related deaths“ seit dem Kriegsbeginn liegt derzeit bei 157 Kindern (Stand Anfang Oktober 2025, Quelle UNOCHA). Wie viele davon rein als „SAM-Tote“ im streng medizinischen Sinn einzustufen sind, ist mit den vorliegenden öffentlichen Daten nicht sauber trennbar, denn die Erhebungen schlüsseln nicht auf, wie viele Fälle wirklich SAM als Haupttodesursache hatten und wie viele „assoziiert“ sind (Kombination aus Krankheit, Verletzungen, Vorerkrankungen etc.). Man kann nur sagen: Die Zahl liegt sicher unterhalb der genannten 157 Kinder (weil dort alle Formen von „malnutrition-related deaths“ zusammengezählt werden).

Fünftens: Die Art von Bildern hungernder Kinder in Gaza, welche «Terre des Hommes – Kinderhilfe weltweit» in der aktuellen Spendenkampagne verwendet, hat sich wiederholt als arrangiert, fingiert und inszeniert herausgestellt.

Inszenierung hungernder Kinder in Gaza (Screenshot: Bild)

Sechstens: Und dies ist eigentlich das wichtigste Argument: Jeder vernünftige Mensch kann mit eigenen Augen feststellen, dass Gaza derzeit nicht von Mangelernährung betroffen ist.
Haben Sie Bilder von Menschen gesehen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Konzentrationslagern befreit wurden? So sehen verhungerte Menschen aus: Sie sind extrem abgemagert. Schauen Sie sich nun beliebige Bilder grösserer Menschenansammlungen in Gaza an. Man sieht dort keine massenhaft ausgemergelten Körper; junge Erwachsene haben runde Gesichter, nicht wenige der über 30-Jährigen sind übergewichtig. Und gleichzeitig sollen wir glauben, die Kinder Gazas litten flächendeckend an schwerer akuter Mangelernährung?

Fazit

Es ist nicht notwendig, die menschliche Tragödie des Gaza-Krieges und das Leid der in Gaza lebenden Bevölkerung anzuzweifeln. Zweifellos herrscht dort materielle Knappheit und tiefste existenzielle Unsicherheit. Und obwohl die Zivilbevölkerung eine grosse Kollektivschuld für die Hasskultur trägt, die die Hamas-Herrschaft und den 7. Oktober erst ermöglicht hat, sollten wir alle die unschuldigen Kinder in Gaza bemitleiden.

Nichtdestotrotz überschreitet «Terre des Hommes – Kinderhilfe weltweit» mit ihrer Spendenwerbung eine rote Linie. Wer öffentlich um Geld bittet, trägt Verantwortung für korrekte und wahrheitsgemässe Angaben. Wenn nun stattdessen eine humanitäre Organisation mit nachweislich falschen Behauptungen, extrem verzerrten Darstellungen und emotional manipulierenden Bildern arbeitet, missbraucht sie das Vertrauen der Bevölkerung.

«Terre des Hommes – Kinderhilfe weltweit» zerstört mit ihrer Spendenkampagne nicht nur ihren eigenen Ruf. Leider trägt sie dazu bei, die allgemeine Glaubwürdigkeit des grossen Komplex der humanitären Gaza-Hilfswerke noch weiter zu untergraben.

Den Kindern Gazas hilft das nicht.

 

So sieht ein tatsächlich unterernährter Mensch aus – der israelische Geisel Evyatar David.

Über den Autor: 

Dr. philos. Jens Tomas Anfindsen unterrichtet seit vielen Jahren in den Bereichen Religion, Philosophie und Ethik. Er ist Leiter von MIFF DACH und Redakteur von Israelfrieden.org.